Den Spuren des Suizids folgen

 
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Dort wo es Spuren gibt, sind auch Wege
— Frank H. Ritz 

Die erste Spur, der wohl alle folgen, die mit Suizid oder Suizidversuch eines Angehörigen zu tun haben, führt zum „Warum?“

Warum hat sie/er das getan und warum habe Ich/haben wir nichts bemerkt, nichts unternommen, warum hat sie/er keine Hilfe angenommen? Warum hat nichts gewirkt?

Als Kind und Jugendliche lernte ich zwei Arten der Spurensuche kennen. Erst der Suizid meines Sohnes wies mir den Weg zur Entfaltung meiner ureigenen Wahrheit.

  • Schweigen 

Ganz am Anfang stand das Schweigen über den Selbstmord meines Onkels. Beim „Er hat sich umgebracht“ senkten sich die Blicke zum Boden. In der Art, wie geschwiegen wurde, steckte die Antwort. Das Schweigen stand für Sünde, Strafe, Schuld, Scham und für das Gebot, nicht weiter nachzufragen.

  • Krankheit und Schuld

Die wiederholten Suizidversuche meiner Mutter zeigten in eine andere Richtung. Ihr erster Versuch wurde als Ausdruck von Geisteskrankheit gehandelt und dementsprechend wurde sie behandelt - mit Elektroschocks und Medikamenten, Gespräche wurden in erster Linie mit meinem Vater geführt. Es war der Beginn einer langen Karriere als Drehtürpatientin der Psychiatrie.
Die Frage der Schuld gewann große Bedeutung. Schuld war die psychische Erkrankung mit häufig wechselnden Diagnosen. Schuld an der psychischen Erkrankung waren neben der genetischen Disposition traumatische Kindheitserlebnisse und schwierige Lebensumstände. 

  • Absolutes Vertrauen in mein inneres Erleben

Der Suizid meines Sohnes katapultierte mich zunächst mit aller Heftigkeit zurück auf die Spur von Schuld und Scham, in die Abgründe des Selbsthasses. Mit Hilfe des Schreibens und mit achtsamer spiritueller Begleitung verlagerte sich der Fokus,  nun folgte ich konsequent der Spur meines inneren Erlebens in Reaktion auf die äußeren Ereignisse. Darauf bedacht, diesen Innenraum frei zu halten von gängigen Lebens-, Lehr,- und Wissensmodellen. Diese Spur führte mich weg vom  Ursache-Wirkung-Denken, in dem der Tod als unausweichliches Übel und der Suizid als Endpunkt eines durchgängig unglücklichen Lebens gehandelt wird. 


Suizid wirkt nach

Tod und Suizid legen immer viele Fährten, auch in Dimensionen, die sich dem logischen Verstand entziehen. 

Ich habe den Suizid von verschiedenen Seiten kennen gelernt. Er hat mein Leben, die Entwicklung meiner Persönlichkeit, meine Lebensführung, mein Gefühl, wie ich in der Welt und mit den Menschen bin, maßgeblich beeinflusst. 

Auf die Frage nach dem „Warum?“ des Verstorbenen bekomme ich von ihm keine Antwort mehr.  Auf die Frage „Was bedeutet der Suizid, der Tod für mich und mein Leben?“ kann nur ich eine Antwort finden. Suizid wirkt nach und schlägt Wellen, immer wieder, wie das Meer. Sie kommen zurück, zeichnen neue Muster in den Sand, schwemmen Neues an. 

Auf den Spuren des Todes neu ins Leben

Darum geht es in meiner Einladung zur Schreibgruppe „Neu ins Leben“ unter dem Motto: „Lerne aus der Vergangenheit, aber mach‘ sie nicht zu Deinem Leben“