Selbstmord, Suizid, Freitod

 
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Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen
— Samuel Butler

Ohnmacht und Ordnung

Der Tod im Allgemeinen und der Suizid im Besonderen gehören zu den Phänomenen, die uns alle – Betroffene, Angehörige, Professionelle – extrem hilflos machen. Wir weichen ihnen aus und tabuisieren sie. Oder wir versuchen sie in den Griff zu kriegen, indem wir sie einordnen und Kategorien erstellen, die uns Halt versprechen. Die Versuche, Suizid psychologisch, medizinisch, juristisch und soziologisch einzuordnen schlagen sich in unterschiedlichen  Begriffen und Beschreibungen  nieder.

Jeder Begriff trägt in sich immer das Verständnis derer, die ihn geformt haben. Er ist die Grundlage dafür, wie Theorien gebildet und in die Praxis umgesetzt werden.

Selbstmord

war der gängige Begriff, den ich im Zusammenhang mit den Suizidversuchen meiner Mutter schon sehr früh kennen gelernt habe. Selbstmord war aus religiöser und aus juristischer Sicht ein schweres Vergehen. Der Selbstmörder war schuldig und konnte seine Unschuld nie beweisen. Erst im Jahr 2011 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Recht auf Beendigung des eigenen Lebens als Menschenrecht anerkannt.

Suizid

Tauchte erst später auf. Ich lernte ihn kennen, als meine Mutter in ein Suizidpräventionsprogramm aufgenommen wurde. Aus dem Lateinischen sui „seiner [selbst]“ und caedere „töten, morden“ abgeleitet, bedeutet er zwar nichts anderes als Selbsttötung oder Selbstmord, wirkt jedoch dank der Verfremdung  neutraler und ist mittlerweile medial weit verbreitet.

Freitod

Dieser Begriff geht davon aus, dass sich ein Mensch selbstbestimmt tötet. Aus psychiatrischer Sicht wird ihm diese Fähigkeit abgesprochen. Sich selbst zu töten oder es zu versuchen, ist Ausdruck einer psychischen Krankheit und somit nie freiwillig. Der Begriff Freitod würde demnach krankhaftes Verhalten verschleiern und schönreden.

Wie ich dazu sage  und warum es wichtig ist, eigene Worte zu finden

Den Begriff Suizid  verwende ich dann, wenn ich verallgemeinernd darüber rede oder schreibe.

Ich glaube aber, dass es Angehörigen hilft, eigene Begriffe und Redewendungen für das Phänomen Suizid zu finden. Sie tragen in sich den Geist der Betroffenen und geben Einblick in deren Beziehung zum Suizid.

Sich das Leben nehmen

Beim Schreiben über die Suizidversuche meiner Mutter hat sich diese Redewendung  wie ein Ohrwurm immer wieder aufgedrängt. Erstaunlicherweise ohne den bitteren Beigeschmack von Verlust und Tod. Ob sie wirklich sterben wollte? Mit jedem gescheiterten Versuch hatte sie immer wieder die Chance, sich das Leben zu nehmen – auch das Leben im Körper.

Gehen, wenn es nicht mehr passt

Dieser Satz poppte immer wieder auf in Gedanken an den Suizid meines Sohnes. Als Leitgedanke, dem dieser feinfühlige junge Mann in radikaler Orientierung an seiner inneren Stimme, konsequent gefolgt ist.  So kompromisslos, dass sein Blick immer enger wurde und gar nichts mehr passte. Nur der Tod als einziger Weg in die Freiheit  - radikal, konsequent und kompromisslos. Gehen, wenn es nicht mehr passt.